Besonderer Vertreter und Geschäftsführer im Verein: Arbeitnehmerrechte?

Das Vereinsrecht macht es möglich, Personen als besondere Vertreter einzusetzen: als Repräsentanten mit organschaftlicher Vertretungsmacht neben dem Vorstand. Aber was bedeutet das für den Arbeitnehmerstatus eines angestellten Geschäftsführers im Verein? Dazu urteilte das Bundesarbeitsgericht (BAG) – mit Auswirkungen auf die künftige Gestaltung von Geschäftsführerverträgen und Vollmachten.

Der „besondere Vertreter“ im Vereinsrecht nach § 30 BGB

Das Vereinsrecht kennt Besonderheiten, die für Gesellschaften wie die GbR oder Kapitalgesellschaften nicht gelten.

§ 30 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist eine solche Besonderheit. Nach § 30 BGB ist es möglich, neben dem Vorstand eines Vereins – das gilt für alle Vereine, also auch für gemeinnützige – besondere Vertreter zu bestellen.

Das Besondere daran: Dieser Vertreter des Vereins verfügt über organschaftliche Vertretungsmacht. Er handelt nicht nur aufgrund einer erteilten Vollmacht, ist also nicht nur „irgendein Bevollmächtigter“ des Vereins, sondern der besondere Vertreter wird vom Verein per Satzung bestimmt. Bestenfalls wird dort auch der Umfang seiner Vertretungsmacht im Außen- und Innenverhältnis definiert. Außerdem ist er wie der Vereinsvorstand im Vereinsregister einzutragen.

Nicht zuletzt gilt: Der besondere Vertreter ist in der Regel an Weisungen des Vorstands gebunden.

Der Fall vor Gericht: Kündigung und Elternzeit einer Vereinsgeschäftsführerin

Die Tatsache, dass der besondere Vertreter einerseits weisungsgebunden ist, andererseits aber über organschaftliche Vertretungsmacht verfügt, kann arbeitsrechtlich problematisch sein: Denn hat ein angestellter Vereins-Geschäftsführer, der gleichzeitig besonderer Vertreter ist, Arbeitnehmerrechte oder nicht?

Mit dieser Frage beschäftigte sich das BAG (BAG, Beschluss v. 11.07.2024, Az.: 9 AZB 9/24) im Falle einer angestellten Geschäftsführerin eines Vereins. Sie war zugleich besondere Vertreterin des Vereins, hatte allerdings in dieser Funktion nur sehr eingeschränkte Befugnisse. Der Verein mit rund 35 Mitarbeitenden hatte ihr gekündigt und die von ihr beantragte Elternzeit nicht genehmigt.

Das sah die Frau nicht ein. Sie wollte vom Arbeitsgericht klären lassen, dass beides nicht rechtens sei. Außerdem verlangte sie Entschädigung wegen Diskriminierung, da der Verein sie allein aufgrund ihrer Schwangerschaft gekündigt habe. Sie sei somit als Frau diskriminiert worden. Zum Zeitpunkt der Klage hatte der Verein ihr die Vertretungsmacht bereits entzogen. Besondere Vertreterin war sie zu diesem Zeitpunkt nicht mehr.

Das Arbeitsgericht sah sich aber nicht zuständig: Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei nicht eröffnet – ganz im Sinne des Vereins. Grund dafür sei Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG: kein Arbeitnehmerstatus für Organvertreter. Anders sah es das Landesarbeitsgericht. Da der Verein damit wiederum nicht einverstanden war, traf man sich letztlich vor dem Bundesarbeitsgericht, um diese Frage mit grundlegender Bedeutung für das Vereinswesen klären zu lassen.

BAG-Entscheidung: Arbeitnehmerrechte trotz Stellung als ehemaliger besonderer Vertreter

Letztlich bekam die Geschäftsführerin vor dem BAG Recht.

Einerseits gelte die Regel „kein Arbeitnehmerstatus für Organvertreter“ nur während der Amtszeit. Sei der Status als besonderer Vertreter beendet, würden die normalen Regeln gelten – und damit auch die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte.  

Außerdem würde sich insgesamt der Eindruck ergeben, dass die Geschäftsführerin vom Verein wirtschaftlich abhängig und damit sozial schutzbedürftig und ihre Position deswegen mit der eines Arbeitnehmers durchaus vergleichbar sei. Immerhin habe die Frau beim Verein eine Vollzeittätigkeit mit festem Gehalt ausgeübt. Gleichzeitig sei sie im Verhältnis zum Vorstand weisungsgebunden, ihre Vollmacht als besondere Vertreterin stark beschränkt gewesen. Das alles zusammengenommen führe nach BAG dazu, dass der Geschäftsführerin nach Ende ihrer Funktion als besondere Vertreterin des Vereins vollständiger arbeitsrechtlicher Schutz zustehe – angefangen bei der Zuständigkeit der Arbeitsgerichte bis hin zu Ansprüchen auf Elternzeit und Entschädigung bei Diskriminierung.

Praktische Folgen des BAG-Urteils für Vereine und Geschäftsführerverträge

Vor allem wenn es um die Gestaltung von Geschäftsführerverträgen geht und eine Bestellung als „besonderer Vertreter“ nach § 30 BGB im Raum steht, kommt es nun noch mehr als zuvor auf Genauigkeit an, wenn es um die Gestaltung von Aufgaben, aber auch um den Umfang der Vertretungsmacht geht.

Denn wird aus dem vermeintlichen Organvertreter eine arbeitnehmerähnliche Position – gerade nach Erlöschen der Vollmacht aus § 30 BGB –, kann das erhebliche arbeitsrechtliche Konsequenzen haben, wie man am kürzlich vom BAG entschiedenen Fall sieht.  

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