Business Judgement Rule gilt für rechtsfähige Stiftungen

Auch Mitglieder von Stiftungsorganen sehen sich zunehmend mit Haftungsrisiken konfrontiert. Im Rahmen der Stiftungsrechtsreform im Jahr 2023 hat der Gesetzgeber dieses Thema aufgegriffen. Seitdem gibt es auch für Stiftungsorgane mit der Business Judgement Rule ein besonderes Haftungsprivileg. Diese kannte man bisher nur aus dem Gesellschaftsrecht.

Business Judgement Rule: Haftungserleichterung für Vorstände und Aufsichtsräte

Die Business Judgement Rule (BJR) entspringt dem US-amerikanischen Recht und wurde im Jahr 2005 zunächst nur für Verantwortliche von Aktiengesellschaften ins deutsche Aktiengesetz (AktG) aufgenommen.

Die Regelung schützt, wenn Verantwortliche eine unternehmerische Entscheidung treffen, die sich nachträglich als nachteilig erweist, aber nach bestem Wissen und Gewissen getroffen wurde. Dieses Haftungsprivileg nach §§ 93 Abs. 1 S. 2, 116 S. 1 AktG wird unter anderem auch auf GmbH-Geschäftsführer angewendet.

Die Regel greift, wenn eine unternehmerische Entscheidung

  • in gutem Glauben,
  • ohne Eigeninteressen bzw. ohne sachfremde Interessen
  • auf Basis angemessener Informationsgrundlage
  • unter ausreichender Abwägung von Chancen und Risiken und
  • zum Wohle des Unternehmens getroffen wurde.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, schützt die BJR vor persönlicher Haftung, auch wenn eine (Fehl-)Entscheidung im Ergebnis zu einem Schaden beim Unternehmen führt.

Der Grund für diese Regel ist einleuchtend: Es gilt, die „vernünftige“ Risikobereitschaft von Entscheidungsträgern zu fördern, um Unternehmenswachstum zu ermöglichen, ohne dass Verantwortliche ständig eine persönliche Haftung fürchten müssen.

Stiftungsrechtsreform brachte viele Änderungen für Stiftungen

Die letzte große Stiftungsrechtsreform trat im Juli 2023 in Kraft, um v. a. die Eigenverwaltung von Stiftungen zu erleichtern und für mehr Flexibilität zu sorgen.

Dabei wurde u. a. gesetzlich festgelegt, dass dem Willen des Stifters im Rahmen der Verwaltung maßgebliche Bedeutung zukommt. Außerdem sind nun unterschiedliche Vermögensbestandteile des Stiftungsvermögens als Grundstockvermögen und sonstiges Vermögen gesetzlich definiert.

Mehr dazu lesen Sie in unserem Beitrag „Wichtige Änderungen im Stiftungsrecht“.

Für mehr Transparenz im Stiftungswesen wurde nicht zuletzt ein Stiftungsregister eingeführt. Der Start der Stiftungsregisters wird allerdings nicht wie ursprünglich geplant zum 01.01.2026 erfolgen.

Mehr dazu lesen Sie in unserem Beitrag „Das Stiftungsregister kommt“.

Einführung der Business Judgement Rule ins Stiftungsrecht

Auch Teil der Stiftungsrechtsreform war die Einführung einer BJR im Stiftungsrecht. So enthält nun § 84a Abs. 2 S. 2 BGB ein entsprechendes Haftungsprivileg für alle Mitglieder von Stiftungsorganen.

Es greift, wenn Mitglieder von Stiftungsorganen relevante geschäftliche („unternehmerische“) Entscheidungen für die Stiftung treffen, die sich im Nachhinein als falsch bzw. schädlich erweisen, aber auf Grundlage der Business Judgement Rule bzw. der Vorgaben aus der Stiftungssatzung getroffen wurden. Relevant kann das unter anderem werden, wenn Vorstandsmitglieder beispielsweise darüber entscheiden, wie das Vermögen der Stiftung künftig angelegt werden soll. Vor allem in diesem Kontext können sich erhebliche Haftungsrisiken für Entscheidungsträger ergeben, v. a. wenn das Grundstockvermögen der Stiftung durch falsche Investitionsentscheidungen nachhaltig Schaden nimmt.   

Kommt es zum Haftungsprozess, ist dann wohl vor allem eine Frage maßgeblich: Wurde die Entscheidung auf Grundlage einer angemessenen Informationslage und unter gründlicher Abwägung aller relevanten Chancen und Risiken getroffen? Oder wäre es notwendig gewesen, zusätzlichen Expertenrat einzuholen, um eine verlässliche Entscheidung treffen zu können? Dabei ist auf den Zeitpunkt ex ante – also den Zeitpunkt vor der Entscheidung – abzustellen. Haben Eigeninteressen Einfluss genommen, entfällt die Haftungsprivilegierung.

Veränderung durch gesetzliche Einführung der Business Judgement Rule?  

Seit der Einführung des § 84a Abs. 2 S. 2 BGB existiert nun eine gesetzliche Regelung in Hinblick auf Haftungsprivilegien für Mitglieder von Stiftungsorganen. Das ist begrüßenswert, weil die Regelung Stiftungsorganen mehr Rückendeckung gibt und für Transparenz sorgt.  

Und doch ändert die gesetzliche Einführung grundsätzlich nicht viel. Denn bereits vor der Stiftungsrechtsreform kam die BJR in Haftungsprozessen zur Anwendung. Das Thema der „verantwortlichen unternehmerisch nachvollziehbaren Entscheidung“ war bis dato Gegenstand der Schuldfrage.

Insofern revolutioniert die Kodifizierung der Business Judgement Rule im Stiftungsrecht das Thema Haftung von Mitgliedern von Stiftungsorganen nicht.  

Die BJR zu ignorieren oder nicht zu kennen, birgt nun aber ein neues Risiko: Wer diese Regel als verantwortliche Person bei einer Entscheidungsfindung außer Acht lässt, riskiert künftig den Verlust des Haftungsprivilegs, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht angewendet und damit grob fahrlässig gehandelt hat.

Entscheidungsprozesse dokumentieren, Richtlinien klar fassen   

Damit stellt sich zu guter Letzt die Frage: Was können und was sollten Stiftungen und ihre Organmitglieder nun tun?  

Mitglieder von Stiftungsorganen sind gut beraten, vor allem nicht ganz risikolose Entscheidungsprozesse noch gewissenhafter zu durchlaufen und diesen Prozess gründlich zu dokumentieren, um im Notfall „Haftungsprozess“ gewappnet zu sein.

Stiftungen ist zu raten, über die Satzung oder Richtlinien Klarheit für Verantwortliche zu schaffen und vor allem wichtige Entscheidungsprozesse klar zu definieren, um Verantwortlichen mehr Sicherheit zu geben.

Wichtige Fragen zum Thema:   

Was ist die Business Judgement Rule?

Die Business Judgement Rule (BJR) (§ 93 Abs. 1 S. 2, § 116 S. 1 AktG) schützt grundsätzlich Vorstände und Aufsichtsräte von Aktiengesellschaften, aber auch Verantwortliche in GmbHs vor persönlicher Haftung, wenn sie unternehmerische Entscheidungen in gutem Glauben, ohne Eigeninteressen und auf Basis angemessener Informationen treffen. Bei Fehlentscheidungen entfällt unter diesen Voraussetzungen die Haftung, wenn die Entscheidung zum Wohl des Unternehmens getroffen wurde.

Gilt die Business Judgement Rule im Stiftungsrecht in Deutschland?

Seit der Stiftungsrechtsreform 2023 ist die Business Judgement Rule auch für Mitglieder von Stiftungsorganen (§ 84a Abs. 2 S. 2 BGB) gesetzlich geregelt. Zuvor kam die BJR nur im Rahmen der Schuldfrage in Haftungsprozessen zur Anwendung.

Was sollten Mitglieder von Stiftungsorganen in Hinblick auf die Business Judgement Rule beachten?

Mitglieder von Stiftungsorganen sollten sich die BJR deutlich vor Augen führen und in haftungsträchtigen Entscheidungsprozessen ihre Entscheidungen ordentlich dokumentieren, um Haftungsansprüche notfalls effizient abwehren zu können.


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