Nachlassverbindlichkeiten, Erbschaftsteuer & Gestaltungspotenzial

Nachlassverbindlichkeiten reduzieren die Erbschaftsteuer der Erben. Richtig eingesetzt und exakt formuliert ist es deswegen möglich, beispielsweise mit Vermächtnissen oder Auflagen im Testament gezielt die Steuerlast der späteren Erben zu senken.

In diesem Beitrag geht es ausschließlich um eine erbschaftsteuerrechtliche Betrachtung.

Nachlassverbindlichkeiten und Erbschaftsteuer

Geht es um das Thema Erbschaftsteuer, ist es wichtig, zu wissen: Nicht das gesamte geerbte Vermögen ist zwangsläufig erbschaftsteuerpflichtig.

Geht es darum, die Höhe der Erbschaftsteuer zu berechnen, ist dafür der Nachlasswert maßgeblich. Um ihn zu berechnen, wird in einem ersten Schritt der Wert des vorhandenen Vermögens zum Zeitpunkt des Todes ermittelt. In einem zweiten Schritt werden dann Nachlassverbindlichkeiten – alle Schulden und Kosten, die mit dem Erbfall zusammenhängen – ermittelt und vom Vermögenswert abgezogen. So will es § 10 Abs. 5 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG). Damit reduzieren Nachlassverbindlichkeiten den Wert des Nachlasses und so indirekt die Erbschaftsteuer, die Erben bezahlen müssen, wenn die persönlichen Freibeträge überschritten sind.

Dabei gibt es drei Hauptgruppen von Nachlassverbindlichkeiten:

  • Erblasserschulden: vom Erblasser „gemachte“ Schulden als Teil des Nachlasses,
  • Erbfallschulden: durch den Erbfall ausgelöste Verpflichtungenwie z. B. Vermächtnisse, Auflagen oder Pflichtteilsansprüche und
  • Nachlassregelungskosten: Kosten der Bestattung, Anwalts- und Steuerberaterkosten, Gerichtskosten, Erbscheinverfahren etc.

Betrachtet man die unterschiedlichen Nachlassverbindlichkeiten, fällt auf: Auf Erbfallschulden kann der Erblasser Einfluss nehmen, indem er beispielsweise entsprechende Regelungen in einem Testament trifft – von der Anordnung von Vermächtnissen oder Auflagen bis hin zu strategischen Enterbungen z. B. in einem Berliner Testament.

Was zählt zu den Nachlassverbindlichkeiten?

Doch welche Nachlassverbindlichkeiten gibt es und welchen Effekt haben sie?

Erblasser-Schulden

Die sog. Erblasser-Schulden sind alle offenen Verbindlichkeiten des Erblassers, beispielsweise offene Rechnungen, nicht getilgte Darlehen oder auch Steuerverbindlichkeiten des Erblassers.

Entscheidend dafür, dass diese Schulden beim Berechnen des Nachlasswertes berücksichtigt werden, ist, dass die Schuld vor dem Tod des Erblassers entstanden oder zumindest „angelegt“ worden sein muss.

Achtung! Rein moralische Verpflichtungen reichen nicht. Auch wenn Erben eine Schuld freiwillig begleichen (z. B. verjährte Forderung), wird das bei der Berechnung des Nachlasswertes nicht berücksichtigt.

Auflagen und Pflichtteile als Erbfallschulden

Auflagen und geltend gemachte Pflichtteilsansprüche entstehen als Erbfallschulden – anders als Erblasser-Schulden – erst mit dem Erbfall. Auch sie sind Nachlassverbindlichkeiten, die den Nachlasswert reduzieren.

Auflagen

Auflagen sind Verpflichtungen, die der Erblasser seinen Erben auferlegt. Das kann beispielsweise die Pflicht zur Grabpflege sein oder die Pflicht, zweckgebundene Zahlungen zu leisten (z. B. Unterhalt an eine bestimmte Person zu zahlen, bestimmte Beträge für wohltätige Zwecke zu spenden etc.). Die Kosten, die durch solche Auflagen entstehen, sind abzugsfähig, reduzieren also den Nachlasswert.

Geltend gemachte Pflichtteilsansprüche

Auch Pflichtteilsansprüche enterbter gesetzlicher Erben sind abzugsfähige Nachlassverbindlichkeiten. Enterbungen haben dabei eine größere Relevanz, als man zunächst meinen könnte. Denn u. a. beim sog. Berliner Testament, in dem sich Ehegatten zunächst gegenseitig als Alleinerben einsetzen, werden Kinder de facto enterbt.

Damit Pflichtteilsansprüche allerdings als Nachlassverbindlichkeit berücksichtigt werden, müssen sie geltend gemacht worden sein. Auf diesen Zeitpunkt kommt es bei der Berechnung der Erbschaftsteuer an. Im Zweifel muss dann ein schon erlassener Erbschaftsteuerbescheid nachträglich angepasst werden.

Vermächtnisse als Erbfallschulden

Nicht zuletzt sind auch Vermächtnisse Nachlassverbindlichkeiten, ganz konkret: Erbfallschulden.

Dabei sind Vermächtnisse eine häufig gewählte Möglichkeit, den Nachlass und den Nachlasswert aktiv zu gestalten. Ein Vermächtnis ist eine testamentarische Verfügung, die einer bestimmten Person einen Vermögenswert (z. B. Geld, Immobilie etc.) zuspricht, ohne die Person als Erben einzusetzen. Damit haben Vermächtnisnehmer gegen Erben „nur“ einen Anspruch, den vermachten Gegenstand zu erhalten. Sie werden nicht Mitglied der Erbengemeinschaft, außer sie sind zusätzlich als Miterben eingesetzt.

Vermächtnisnehmer sind damit Gläubiger der Erben, die aber – je nach Art des Vermächtnisses – erhebliche Ansprüche gegen Erben haben können.

Hinweis! Oft fällt die Abgrenzung von Vermächtnisanordnung zu Teilungsanordnung in Testamenten nicht leicht. Diese Abgrenzung hat aber enorme rechtliche Folgen. Lesen Sie mehr dazu in unserem Beitrag „Teilungsanordnung vs. Vorausvermächtnis“.

Ob Sach- oder Geldvermächtnisse angeordnet werden, ist für die Berechnung des Nachlasswerts irrelevant. Allein der Wert des Vermächtnisses ist ausschlaggebend. Anders als beim Pflichtteilsanspruch muss dieser Anspruch grundsätzlich auch nicht geltend gemacht worden sein, um bei der Berechnung des Nachlasswertes als Nachlassverbindlichkeit berücksichtigt zu werden. Auch wenn Erben den Anspruch freiwillig erfüllen, ohne dazu rechtlich verpflichtet zu sein (z. B. formunwirksames Vermächtnis), kann ein Abzug als Nachlassverbindlichkeit in Betracht kommen.  

Hinweis! Das sog. Supervermächtnis ist eine sehr flexible Gestaltungsmöglichkeit. Damit können Erben (z. B. überlebender Ehegatte) erst nach dem Erbfall entscheiden, ob der Bedachte (z. B. Enkel) überhaupt etwas bzw. was konkret er bekommen soll. So kann man Freibeträge, z. B. von Enkelkindern, optimal nutzen und Erben steuerlich entlasten. Allerdings muss die Formulierung sehr exakt sein, damit ein Supervermächtnis steuerlich anerkannt wird! Hier lauern zahlreiche Fallstricke.

Nachlassverbindlichkeiten/Erbfallschulden haben Steuersparpotenzial!

Nachlassverbindlichkeiten bzw. Erbfallschulden sind ein wichtiger Hebel zur Steueroptimierung und sollten deswegen bei der aktiven Nachlassgestaltung nicht unter den Tisch fallen. Denn eine entsprechende Gestaltung kann für Klarheit und „gerechte“ Ergebnisse sorgen und gleichzeitig die Steuerbelastung von Erben senken.

Auflagen, aber auch strategische Enterbungen und vor allem Vermächtnisse haben hier enormes Potenzial. In bestimmten Fällen können sich auch lebzeitige (familieninterne) Darlehen positiv auf die Erbschaftssteuerlast auswirken, sofern im Nachlass eine Darlehensverbindlichkeit verbleibt.

Professionelle Beratung und Formulierung von Testamenten ist notwendig

Wichtig ist allerdings, in allen Fällen exakt zu ermitteln, welche Gestaltungsmöglichkeiten im konkreten Fall sinnvoll sind.

Mindestens genauso wichtig ist dann die exakte Formulierung im Rahmen der Testamentsgestaltung, damit die Formulierungen „steuerlich standhalten“ und ein steueroptimales Ergebnis erreicht wird. In beiden Fällen unterstütze ich Sie gerne, um die bestmögliche Lösung für Ihren Nachlass zu finden.

Häufige Fragen zum Thema Nachlassverbindlichkeiten und Erbschaftsteuer:

Welche Nachlassverbindlichkeiten mindern die Erbschaftsteuer?

Alle Nachlassverbindlichkeiten mindern den Nachlasswert und damit indirekt die Erbschaftsteuer. Zu den Nachlassverbindlichkeiten zählen

  • Erblasser-Schulden (z. B. Darlehen, offene Rechnungen),
  • Erbfallschulden (z. B. Vermächtnisse, Auflagen, Pflichtteilsansprüche) und
  • Nachlassregelungskosten (z. B. Bestattung, Anwalts- und Gerichtskosten).

Sie werden vom Vermögenswert des Nachlasses abgezogen und reduzieren damit den Nachlasswert, der die Basis für die Berechnung der Erbschaftsteuer ist.

Kann man Vermächtnisse gezielt zur Steueroptimierung in Bezug auf die Erbschaftsteuer nutzen?

Ja. Vermächtnisse, aber auch andere Nachlassverbindlichkeiten können gezielt eingesetzt werden, um den Nachlasswert zu reduzieren und so die Erbschaftsteuer der Erben zu senken. Denn Vermächtnisse als sog. Erbfallschulden mindern den Nachlasswert. Besonders flexibel ist dabei das Supervermächtnis, das es Erben ermöglicht, nach dem Erbfall über den Umfang des Vermächtnisses und die Begünstigten zu entscheiden.

Was ist notwendig, damit Nachlassverbindlichkeiten steuerlich anerkannt werden?

Mit Hier kommt es auf unterschiedliche Dinge an:

  • Bei Erblasser-Schulden ist maßgeblich, dass die Schulden des Erblassers tatsächlich vor dessen Tod entstanden sind.
  • Pflichtteilsansprüche müssen gegenüber den Erben geltend gemacht werden, damit sie berücksichtigt werden, Vermächtnis-Ansprüche hingegen nicht.
  • Im Falle von Erbfallschulden, die aktiv gestaltet werden, wie z. B. durch Vermächtnisse, kommt es darauf an, dass die Regelungen eindeutig im Testament formuliert sind.

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