Nachweis kürzere Restnutzungsdauer: gelockerte Anforderungen?

Bei Vermietungsimmobilien können Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten auf die Nutzungsdauer verteilt abgeschrieben und einkommensteuermindernd geltend gemacht werden. Dafür gilt in vielen Fällen eine pauschale Nutzungsdauer von 50 Jahren. Die Anforderungen an den Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer waren bisher hoch. Ein Schreiben des Finanzministeriums diesbezüglich wurde nun aufgehoben. 

Werden Immobilien vermietet und einkommensteuerrechtlich so Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, können die Anschaffungskosten (Kauf der Immobilie) bzw. Herstellungskosten (Bau einer Immobilie) einkommensteuermindernd geltend gemacht werden. Diese Kosten können regelmäßig über eine Abschreibung bei der Einkommensteuer mindernd in Abzug gebracht werden – verteilt auf die sog. Nutzungsdauer.

Dabei beginnt bei jeder Anschaffung einer Immobilie (z. B. Kauf einer Bestandsimmobilie) eine neue pauschale Nutzungsdauer, unabhängig vom tatsächlichen Gebäudealter.

Beispiel: Beim Kauf eines Grundstücks mit Haus aus dem Jahr 1930 im Jahr 2025 gilt beispielsweise per Gesetz für steuerliche Zwecke automatisch eine Nutzungsdauer von 50 Jahren, beginnend mit dem Jahr 2025. Für ältere Häuser (vor 1925) oder Neubauten (ab 2023) gelten abweichende pauschale Nutzungsdauern.

Allerdings kann die tatsächliche Nutzungsdauer einer Immobilie nach dem Kauf der Immobilie deutlich kürzer sein als die pauschalisierte Nutzungsdauer aus dem Einkommensteuergesetz.

Die Möglichkeit, eine kürzere Nutzungsdauer anzusetzen, ist in § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG klar geregelt. Hier lässt der Gesetzgeber zu, dass eine kürzere tatsächliche Nutzungsdauer des Gebäudes im Rahmen der Abschreibung angesetzt wird.

Für viele Käufer ist das eine interessante Möglichkeit, da damit in kürzerer Zeit höhere Abschreibungen möglich wären und so der Effekt der Einkommensteuerreduzierung pro Jahr größer wird. Das hat in den letzten Jahren in der Praxis deutliches Interesse geweckt, über verschiedene Wege eine kürzere Restnutzungsdauer beim Finanzamt zu beantragen.

Aber natürlich waren nicht alle Versuche, die Nutzungsdauer zu verkürzen, erfolgreich. Nicht selten endeten Meinungsverschiedenheiten dazu vor Gericht, da die Finanzverwaltung häufig eine andere Auffassung zum notwendigen Umfang des Nachweises hatte als Grundstückseigentümer und später die höchstrichterliche Rechtsprechung.

So befasste sich letztlich der Bundesfinanzhof (BFH) mit diesem Thema: den Anforderungen an den Nachweis einer tatsächlich kürzeren als der gesetzlich vermuteten Nutzungsdauer einer Immobilie.

Das höchste Finanzgericht urteilte: Man könne sich grundsätzlich „jeder Darlegungsmethode“ bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheine. Ein Bausubstanzgutachten sei explizit nicht notwendig, auch wenn die fachliche Argumentation durch einen geeigneten Sachverständigen nachvollziehbar sein solle (BFH, Urteil v. 28.07.2021, Az.:  IX R 25/19).

Aufgrund dieses Urteils gingen bei der Finanzverwaltung eine Vielzahl von „Restnutzungsdauergutachten“ in verschiedensten Formen und in unterschiedlicher fachlicher Qualität ein. Angewendet wurde das Urteil von der Finanzverwaltung allerdings (bisher) nicht.

Daraufhin veröffentlichte das Bundesfinanzministerium das Schreiben vom 22.02.2023. Darin stellte es für die Praxis sehr hohe Hürden hinsichtlich des Nachweises einer kürzeren Restnutzungsdauer auf. Insbesondere verlangte die Finanzverwaltung

  • die Darstellung des Zustands des Gebäudes hinsichtlich der Tragstruktur und
  • die Begründung, weshalb keine wirtschaftlich sinnvolle Nutzung am Ende der kürzeren Restnutzungsdauer mehr möglich sei.

Gleichzeitig wurde die Übernahme der Restnutzungsdauer aus einem ordnungsgemäßen Verkehrswertgutachten nach der Immobilienwertermittlungsverordnung ausgeschlossen.

    Auch dazu blieb ein Rechtsstreit nicht aus, erneut urteilte der BFH in einer Sache zum Thema tatsächliche kürzere Restnutzungsdauer (Urteil BFH v. 23.01.2024, Az.:  IX R 14/23). Das Gericht stellte klar, dass die Restnutzungsdauer auch durch die korrekte Anwendung der Immobilienwertermittlungsverordnung dargelegt werden könne. Wichtig sei dabei, dass ein geeigneter Sachverständiger die Berechnungen vornehme. In diesem Urteil widersprach der BFH explizit der Finanzamtsauffassung aus dem Schreiben 2023 und wies die darin aufgestellten, aus Sicht des Gerichts überhöhten Anforderungen an den Nachweis zurück.

    Auch dieses Urteil wendet die Finanzverwaltung (bisher) nicht an.

    So verwundert es nicht, dass es zwischenzeitlich zu Bemühungen kam, mehr Rechtssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen und das Gesetz bzw. die Durchführungsverordnung mit höheren Anforderungen des Nachweises auszustatten. Diese Bemühungen verliefen – bisher – jedoch im Sand.  

    Nun hat das Bundesfinanzministerium mit Datum vom 01.12.2025 das vorhergehende Schreiben aus dem Jahr 2023 aufgehoben und damit von überhöhten Anforderungen an einen Nachweis zur kürzeren Restnutzungsdauer Abstand genommen.

    Damit bestehen derzeit nur noch die vorgenannten Urteile der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Nachweis einer kürzeren Restnutzungsdauer.

    Wie die einzelnen Finanzämter damit umgehen, ist derzeit noch nicht bekannt. Allerdings gibt es mit der Aufhebung des Schreibens keine bundesweite strenge Vorgabe der Finanzverwaltung in dieser Frage mehr.

    Gibt es im Einzelfall Anhaltspunkte, dass die Gebäuderestnutzungsdauer kürzer als die jeweilige pauschale steuerliche Nutzungsdauer sein könnte, empfiehlt sich aktuell, über ein ordnungsgemäßes Restnutzungsdauergutachten nachzudenken. Dabei sollte der Sachverständige in jedem Fall öffentlich bestellt und vereidigt oder zumindest nach DIN EN ISO/IEC 17024 zertifiziert sein.

    Anhaltspunkte für eine kürzere Restnutzungsdauer des Gebäudes sind grundsätzlich

    • ein höheres Gebäudealter und
    • fehlende Modernisierungen.

    Liegt der letzte Anschaffungszeitpunkt nicht zu weit in der Vergangenheit, ist es so im Einzelfall durchaus möglich, eine beträchtliche Steuerminderung zu erzielen.

    Hinweis: Maßgebliche Modernisierungen, die ggf. gegen eine kürzere Restnutzungsdauer sprechen, sind Dacherneuerung inklusive Wärmedämmung, Modernisierungen von Fenstern/Außentüren, Leitungssystemen, Heizungsanlagen, Bädern, des Innenausbaus sowie die Wärmedämmung von Außenwänden und die wesentliche Verbesserung der Grundrissgestaltung.

    Es ist aktuell nicht auszuschließen, dass sich das Finanzministerium bzw. der Gesetzgeber (erneut) mit dem Thema Nachweis der verkürzten Restnutzungsdauer bei Immobilien beschäftigten wird. Damit ist auch nicht auszuschließen, dass die Voraussetzungen für den Nachweis einer kürzeren Restnutzungsdauer reguliert oder verbindlich definiert werden.

    Deshalb ist es gerade aktuell ratsam, sich im Vorfeld der Anschaffung einer Vermietungsimmobilie individuell beraten und begleiten zu lassen. Denn individuelle professionelle Beratung trägt dazu bei, einen nach der Rechtsprechung ordnungsgemäßen Nachweis einer kürzeren Restnutzungsdauer für Zwecke der Gebäudeabschreibung durchzusetzen.

    Hinweis: Dieser Beitrag stellt keine individuelle Steuerberatung dar, sondern gibt einen allgemeinen Überblick. Eine persönliche Beratung unter Berücksichtigung Ihrer konkreten Verhältnisse ist in jedem Fall erforderlich.

    Meine Empfehlung

    Lassen Sie Ihre individuelle Situation steuerlich prüfen, um Nachteile bei der Abschreibung zu vermeiden. Gerne unterstütze ich Sie bei der steuerlich optimalen Gestaltung Ihrer Immobiliennutzung.

    Ihr ACCONSIS-Ansprechpartner

    Andreas Hopfgartner
    Steuerberater

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