Kassensturzfähigkeit in der Gastronomie: Risiken und Pflichten bei Kellner-Portemonnaies

Die Kassensturzfähigkeit ist für gastronomische Betriebe essenziell, um Beanstandungen bei Betriebsprüfungen zu vermeiden. Insbesondere der Wechselgeldbestand in Kellner-Portemonnaies birgt Risiken. Der Beitrag zeigt, worauf es rechtlich und praktisch ankommt.

Die Kassensturzfähigkeit ist ein zentrales Element der ordnungsgemäßen Kassenführung. Sie wird regelmäßig bei Betriebsprüfungen und Kassennachschauen kontrolliert, insbesondere bei bargeldintensiven Unternehmen in der Gastronomie.

Was bedeutet Kassensturzfähigkeit?

  • Kassensturzfähigkeit bezeichnet die Fähigkeit einer Kasse, den tatsächlichen Kassenbestand (Ist-Bestand) jederzeit mit dem rechnerischen Bestand (Soll-Bestand) abzugleichen. Dies ist eine Grundvoraussetzung für die ordnungsgemäße Kassenführung.
  • Die rechtliche Grundlage hierfür findet sich in § 146 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO): Alle Geschäftsvorfälle müssen lückenlos und jederzeit nachvollziehbar aufgezeichnet werden.
  • Bei der Kassensturzfähigkeit wird der Geldbestand in der Kasse mit den Eintragungen im Kassenbuch verglichen.

Was passiert bei fehlender Kassensturzfähigkeit oder Dokumentation?

Differenzen zwischen dem Soll- und Ist-Bestand können als Mängel in der Kassenführung gewertet werden. Bei formellen Mängeln von sachlichem Gewicht drohen steuerliche Hinzuschätzungen – nicht nur für den Tag der Prüfung, sondern oft rückwirkend für den gesamten Prüfungszeitraum.

Bei einer unangekündigten Kassennachschau oder im Rahmen einer Betriebsprüfung kann der Prüfer einen sogenannten „Kassensturz“ verlangen. Dabei wird geprüft, ob der aktuelle Bargeldbestand korrekt verbucht wurde.

Ein besonders sensibler Bereich in der Gastronomie betrifft die Kellner-Portemonnaies, auch „Kellnerbörsen“ genannt. Diese enthalten in der Regel Wechselgeld, das entweder dem Kellner selbst oder dem Gastronomen gehört. In beiden Fällen ergeben sich spezifische Pflichten zur Sicherstellung der Kassensturzfähigkeit.

Wenn bei einer Betriebsprüfung unklar bleibt, wie viel Bargeld ein Kellner zu Schichtbeginn bei sich hatte, ist ein nachvollziehbarer Kassensturz oft ausgeschlossen. Das Finanzamt kann dann unterstellen, dass die Kassenführung Mängel aufweist und sich auf die Schätzungsbefugnis (§ 162 AO) berufen.

Deshalb gilt: Dokumentation des Anfangsbestands ist Pflicht

Zentral für die Kassensturzfähigkeit ist die tägliche Dokumentation des Anfangsbestands der Kellner-Portemonnaies. Dieser Anfangsbestand ist die Basis für eine nachvollziehbare Abrechnung am Tagesende und muss insbesondere dann erfasst werden, wenn das Wechselgeld im Eigentum des Kellners steht.

Fehlt diese Information, fehlt bereits die Grundlage für die Durchführung eines Kassensturzes

In der Praxis gibt es zwei typische Modelle, wie mit Kellner-Portemonnaies in der Gastronomie umgegangen wird:

1. Kellner arbeiten mit eigenen Portemonnaies

Bei diesem Modell ist Wechselgeld Eigentum des Kellners.  Das hat organisatorische Vorteile, birgt aber steuerliche Risiken.

Unsere Handlungsempfehlungen:

  • Vorgabe eines einheitlichen Anfangsbestands, z. B. 200 EUR pro Kellner pro Tag.
  • Der Anfangsbestand muss täglich durch den Kellner selbst dokumentiert werden.
  • Dieser Bestand ist nach unserer Einschätzung nicht in der Kasse des Gastronomen abzubilden, da sich das Wechselgeld im Eigentum des Kellners befindet.
  • Stichprobenartige Kontrollen durch den Gastronomen – z. B. monatlich – erhöhen die Glaubhaftigkeit.
  • Alle Anweisungen sollten in einer Prozessbeschreibung bzw. einer Kassieranweisung schriftlich festgehalten und vom jeweiligen Mitarbeiter gegengezeichnet werden.
  • Diese Anweisungen sollten idealerweise als Anlage zum Arbeitsvertrag geführt werden.
  • Die Anweisungen sind Bestandteil der Verfahrensdokumentation und müssen entsprechend archiviert werden.

Wichtig zu wissen: Die Dokumentation ersetzt keine tägliche Kassenführung, sondern ergänzt sie. Auch wenn das Wechselgeld dem Kellner gehört, ist der Gastronom verpflichtet, Prozesse zur Sicherstellung der Kassensturzfähigkeit vorzuhalten.

2. Der Gastronom stellt Portemonnaies zur Verfügung

In diesem Modell stellt der Gastronom die Kellner-Portemonnaies zur Verfügung, das Wechselgeld ist Eigentum des Gastronomen. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass der gesamte Bargeldfluss betrieblich erfasst und leichter nachvollzogen werden kann.

Unsere Handlungsempfehlungen:

  • Die Portemonnaies werden zentral vorbereitet und verfügen über einen festgelegten, einheitlichen Anfangsbestand.
  • Der Anfangsbestand wird als Teil des Kassenbestands verbucht.
  • Die tägliche Prüfung und Dokumentation des Anfangsbestands ist zwingend.
  • Auch diese Vorgehensweise sollte in der Verfahrensdokumentation aufgezeichnet sein.

Auch hier gilt: Eine nachvollziehbare und überprüfbare Aufzeichnung ist zwingend erforderlich. Der Gastronom trägt in diesem Modell jedoch die volle Verantwortung für die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung.

Die unangekündigte Kassennachschau ist ein scharfes Schwert der Finanzverwaltung. Ohne vorherige Ankündigung können Prüfer während der Geschäftszeiten die Kassenführung kontrollieren. Dabei wird häufig ein spontaner Kassensturz durchgeführt.

Kritisch wird es, wenn:

  • der Anfangsbestand nicht dokumentiert ist,
  • kein Abgleich zwischen Soll- und Ist-Bestand möglich ist,
  • fehlende Prozessdokumentationen die Glaubhaftigkeit der Kassenführung infrage stellen.

Besonders tückisch: Festgestellte Fehlbeträge können nicht nur für den Zeitpunkt der Prüfung, sondern für den gesamten Prüfungszeitraum angesetzt werden. Das kann zu  steuerlichen Nachzahlungen führen.

Ob ein Kassensturz angeordnet wird, liegt im Ermessen des Prüfers und hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab.

Die Verfahrensdokumentation ist das zentrale Instrument, um die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung zu belegen. Sie muss u. a. enthalten:

  • Beschreibung des Kassenführungssystems,
  • Zuständigkeiten der Mitarbeiter,
  • Umgang mit Kellner-Portemonnaies und Trinkgeldern,
  • Regelungen zur Erfassung der Anfangs- und Endbestände,
  • interne Kontrollmechanismen (z. B. Stichprobenkontrollen).

Fehlt eine solche Dokumentation, kann das bereits als formeller Mangel gewertet werden – selbst wenn die tatsächliche Kassenführung korrekt ist.

Unsere Erfahrungen aus aktuellen Betriebsprüfungen zeigen: Für Gastronomen ist die Kassensturzfähigkeit ein Muss! Nicht nur aus steuerlicher Sicht, sondern auch zur Vermeidung unnötiger Konflikte mit der Finanzverwaltung.

Deshalb ist unsere Empfehlung: Prüfen Sie Ihre aktuellen Prozesse:

  • Ist ein Kassensturz jederzeit durchführbar?
  • Sind Anfangsbestände und sonstige Geldflüsse (z. B. Trinkgeld) bekannt?
  • Werden diese Informationen täglich und schriftlich dokumentiert?

Wenn Sie hier saubere Prozesse vorweisen und entsprechende Dokumentationen vorlegen können, sollten Sie bei anstehenden Betriebsprüfungen und Kassennachschauen auf der sicheren Seite sein. Kommen Sie bei Fragen und Beratungsbedarf gerne auf uns zu.

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Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht
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