Das Pflichtteilsrecht bzw. Pflichtteilsansprüche vermitteln nahen Verwandten des Erblassers einen Anspruch auf Mindestteilhabe am Nachlass – auf den sog. Pflichtteil. Damit ist es möglich, dass nahe Angehörige einen Anspruch darauf haben, am Nachlass beteiligt zu werden, auch wenn der Erblasser andere Personen zu alleinigen Erben bestimmt hat.

Pflichtteilsanspruch und Pflichtteilsberechtigte

Falls Personen in einem Testament oder durch Erbvertrag von der Erbfolge ausgeschlossen werden, haben bestimmte Personen – nahe Angehörige – Anspruch auf den sog. Pflichtteil. Das legt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in den §§ 2303 ff. ausdrücklich fest. Selbst wenn ein naher Angehöriger vollständig „enterbt“ wird, steht der Person unter Umständen der Pflichtteil zu.

Nur

  • Abkömmlinge (also Kinder oder unter Umständen Enkel),
  • Ehegatten oder
  • Eltern von kinderlosen Personen

haben Anspruch auf den Pflichtteil, wenn sie von der Erbfolge aufgrund einer letztwilligen Verfügung (Testament, Erbvertrag, Berliner Testament etc.) ausgeschlossen wurden.

Wer Anspruch auf den Pflichtteil hat, ist damit nicht Erbe der verstorbenen Person und damit auch nicht Teil einer möglichen Erbengemeinschaft. Pflichtteilsberechtigte haben nur einen schuldrechtlichen Zahlungsanspruch auf Geld gegen die Erben, den sie bei Bedarf auch gerichtlich durchsetzen können.

Höhe des Pflichtteilsanspruchs

Bei Kindern beläuft sich der Pflichtteilsanspruch auf 50 % der sog. gesetzlichen Erbquote. Damit können (enterbte) Kinder über den Pflichtteilsanspruch 50 % des Wertes des Vermögens erhalten, das sie als gesetzliche Erben geerbt hätten.  

Bei Ehegatten ist der Umfang des Pflichtteilsanspruchs u.a. davon abhängig, ob und wie viele Kinder das Ehepaar hat und ob das Ehepaar in Gütertrennung (= mit Ehevertrag) oder in Zugewinngemeinschaft gelebt hat.

Verjährung des Pflichtteilsanspruchs

Der Anspruch auf den Pflichtteil ist ein schuldrechtlicher Anspruch der pflichtteilsberechtigten Person gegen den Erben bzw. die Erben einer Person. Wie jeder andere zivilrechtliche Anspruch kann auch der Pflichtteilsanspruch verjähren. Grundsätzlich verjährt der Pflichtteilsanspruch drei Jahre nachdem der Pflichtteilsberechtigte vom Erbfall und seiner Enterbung erfahren hat.

Erfährt ein Pflichtteilsberechtigter allerdings nichts vom Erbfall, kann sich die Verjährungsfrist auf bis zu 30 Jahre verlängern.

Außerdem gibt es bestimmte Umstände, unter denen die Verjährung nicht eintritt, weil die Verjährung gehemmt ist. Das ist u.a. der Fall, wenn

  • der Pflichtteilsberechtigte nicht auffindbar ist,
  • der Aufenthaltsort des Pflichtteilsberechtigten nicht bekannt ist,
  • Erben und Pflichtteilsberechtigte über den Anspruch und seine Erfüllung verhandeln,
  • eine Klage zwischen Pflichtteilsberechtigtem und Erben bei Gericht anhängig ist.

Pflichtteil entziehen / Ausschluss des Pflichtteils

§ 2333 BGB legt fest, dass es grundsätzlich auch möglich ist, mit einer letztwilligen Verfügung einer pflichtteilsberechtigten Person sogar den Pflichtteil zu entziehen. Die gesetzlichen Voraussetzungen dafür sind aber sehr eng. Da nur unter sehr engen Voraussetzungen der Pflichtteil entzogen werden kann, ist es wichtig, dass ein Testament bzw. ein Erbvertrag etc. an dieser Stelle sehr exakt formuliert wird. Anwaltliche Unterstützung ist hier wichtig und sinnvoll.

Pflichtteilsverzichtsvertrag

Eine Möglichkeit, Erbschaftsstreitigkeiten über den Pflichtteil zu verhindern, ist ein sog. Pflichtteilsverzichtsvertrag. Dieser Vertrag muss zu Lebzeiten zwischen dem Erblasser und dem später Pflichtteilsberechtigten geschlossen werden.

In diesem Vertrag verzichtet eine pflichtteilsberechtigte Person darauf, den Pflichtteilsanspruch später gegenüber den Erben geltend zu machen. Für diesen Verzicht wird eine Abfindung zwischen dem Erblasser und der pflichtteilsberechtigten Person vereinbart. Möglich ist, einen vollständigen Pflichtteilsverzicht zu vereinbaren oder nur einen teilweisen Verzicht auf den Pflichtteilsanspruch (beschränkter Pflichtteilsverzichtsvertrag).

Sinnvoll kann ein solcher Vertrag z.B. zwischen Eltern und Kindern sein, wenn die Eltern ein sog. Berliner Testament errichten und damit ihre Kinder im ersten Erbfall faktisch enterben.

Wichtig ist allerdings zu wissen: Dieser Vertrag ist nur wirksam, wenn er notariell beurkundet wurde.

Taktische Ausschlagung und Pflichtteil für Ehegatten  

Grundsätzlich ist es nicht möglich, das Erbe auszuschlagen und dann den Pflichtteil einzufordern. Denn nur wer enterbt wurde – nicht wer sich selbst gegen das Erbe entschieden hat! –, kann den Pflichtteil verlangen.

Nur für Ehegatten in Zugewinngemeinschaft besteht dazu eine Ausnahme im Gesetz (§ 1371 Abs. 3 BGB): Als Ehegatte ist es möglich, die Erbschaft auszuschlagen, dann den Zugewinnausgleich im Todesfall zu erhalten und daneben den Pflichtteil geltend zu machen. Das gilt allerdings nicht, wenn man zuvor in einem Vertrag mit dem Ehegatten auf sein gesetzliches Erbrecht bzw. sein Pflichtteilsrecht verzichtet hat.

Die taktische Ausschlagung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen rechtlich und finanziell sinnvoll. Insofern sollte eine taktische Ausschlagung nicht ohne professionellen anwaltlichen Rat in Angriff genommen werden, um keine Fehler bei derart weitreichenden Entscheidungen zu machen.

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Nicolai Utz


Nicolai Utz
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