Die Immobilienbewertung im Falle einer Schenkung oder einer Erbschaft ist seit jeher ein Zankapfel. Nun hat der Gesetzgeber das Bewertungsgesetz reformiert – und das mit erheblichen Auswirkungen auf die Berechnung von Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer im Zusammenhang mit Immobilien. Denn der Wert von Immobilien wird bei der Berechnung von Schenkung- und Erbschaftsteuer seit den Gesetzesänderungen zum 01.01.2009 anhand des Marktwertes ermittelt.
Die Neuerungen werden viele (künftige) Immobilieneigentümer im Falle einer Erbschaft oder Schenkung (z.B. vorweggenommenen Erbfolge) vor erhebliche finanzielle Herausforderungen stellen. Denn die aktuell auch in München immer noch sehr hohen Immobilienpreise bewirken auf diesem Weg indirekt eine erhebliche Erhöhung der Schenkungssteuer und Erbschaftssteuer bei Immobilien.
Warum wurde das Bewertungsgesetz angepasst?
Bei der Änderung des Bewertungsgesetzes zum 01.01.2009 hat der Gesetzgeber die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2006 umgesetzt. Dabei hat er sich den Regularien der Wertermittlungsverordnung bedient. Nachdem diese WertVO vom 19. Mai 2010 durch Gesetz vom 26. November 2019 überarbeitet wurde, musste das Bewertungsgesetz um diese Änderungen ebenfalls angepasst werden. Diese Anpassung erfolgte im Rahmen des Jahressteuergesetzes und hat seit dem 01.01.2023 Gültigkeit. Dem Gesetzgeber war offenbar nicht klar geworden, dass sich für einige Immobilien die Bewertung extrem nach oben verändert wird. Auch Gegenstimmen in der Entscheidung durch den Bundesrat konnten diese Änderungen nicht mehr stoppen.
Hohe Verkehrswerte sorgen für hohe Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer
Rein formal ist der Gesetzgeber so bei seinem Versprechen geblieben, diese Steuern nicht zu erhöhen. Denn an sich ist der Erbschaft- und Schenkungsteuersatz gleichgeblieben.
Seit der Anpassung des Bewertungsgesetzes zum 01.01.2009 an den Marktwert ist aber der Immobilienwert immens gestiegen und somit auch die Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer.
Diese erhebliche Mehrsteuerbelastung führte in den letzten Jahren vermehrt zu einem Verkauf von Immobilien. Gerade im Fall von Immobilien, die lange im Eigentum der Familie standen und an denen Herz und Erinnerungen hängen, ist ein so mittelbar erzwungener Kauf sicherlich für viele Eigentümer schmerzhaft.
Die jetzt mit dem Jahressteuergesetz erfolgte Gesetzesänderung des Bewertungsgesetzes wird sich auf die verschiedenen Verfahren ebenfalls erhöhend auswirken. Es stellt sich die Frage: Was hat sich im Bewertungsgesetz geändert, dass es zu diesem Ergebnis kommt?
1. Änderungen im Ertragswertverfahren
Bei der Ermittlung des Wertes von Mehrfamilienhäusern und Geschäftsgrundstücken mithilfe des Ertragswertverfahrens werden sich die Neuerungen in zwei Bereichen auswirken:
Andere Berechnung des Gebäudeertragswertes
Bei der Wertermittlung nach dem Ertragswertverfahren setzt sich der Immobilienwert aus der Summe von Bodenwert und Gebäudeertragswert zusammen. Der Bodenwert wiederum errechnet sich auf der Grundlage der jeweils geltenden Bodenrichtwerte.
Änderungen ergeben sich durch die aktuelle Gesetzesänderung allerdings bei der Ermittlung des Gebäudeertragswertes: Ausgehend von den erzielten bzw. ortsüblichen Mieten werden bei der Ermittlung des Gebäudeertrages künftig die Bewirtschaftungskosten zwingend nach Anlage 23 des BewG abgezogen. Ein pauschaler Ansatz der Bewirtschaftungskosten wie in der Vergangenheit ist nicht mehr möglich.
Achtung! Die Neuberechnung der Bewirtschaftungskosten wird in aller Regel zu Abweichungen gegenüber der bisherigen Gebäudewertermittlung führen. Wie genau die Abweichungen ausfallen, ist dann allerdings im Einzelfall zu berechnen.
Liegenschaftszins
Außerdem wurde die Berechnung der wertmindernden Bodenwertverzinsung mittels des Liegenschaftszinses angepasst. Liegen keine veröffentlichten Liegenschaftszinssätze der örtlichen Gutachterausschüsse vor, kommen künftig die pauschalen Zinssätze des Bewertungsgesetzes zur Anwendung. Und exakt diese Zinssätze wurden für Bewertungsstichtage ab dem 01.01.2023 deutlich reduziert. So beträgt die Verminderung bei
- Mietwohngrundstücken von bisher 5% auf 3,5%
- für gemischt genutzte Grundstücke mit einem gewerblichen Anteil von bis zu 50 % von bisher 5,5 % auf 4,5 %, mit einem gewerblichen Anteil von über 50 % von 6 % auf 5 %
- bei Geschäftsgrundstücken von bisher 6,5 % auf 6 %
Das führt dazu, dass die wertmindernde Bodenwertverzinsung niedriger ausfällt als zuvor und damit der Gebäudeertragswert höher als bei der vorherigen Berechnung.
Tipp! Die bisherigen Liegenschaftszinssätze lagen in München ohnehin weit unterhalb der gesetzlichen Zinssätze des Bewertungsgesetzes. Insofern wird sich die Anpassung des gesetzlichen Liegenschaftszinssatzes auf Gebäude in München nicht negativ auswirken. Das kann auch in anderen Städten und Regionen gelten!
2. Auswirkungen der Gesetzesänderung auf das Sachwertverfahren
Wird die Immobilienbewertung nicht im Vergleichswertverfahren oder im Ertragswertverfahren durchgeführt, kommt das sog. Sachwertverfahren zur Anwendung. Auch hier haben sich durch die Anpassung des Bewertungsgesetzes Neuerungen ergeben.
Achtung! Kommt das Sachwertverfahren zur Anwendung, ist das Risiko einer Erhöhung des Immobilienwertes am größten.
Bei der Ermittlung des Immobilienwertes mithilfe des Sachwertverfahrens setzt sich der Immobilienwert aus der Summe von Bodenrichtwert und Gebäudesachwert zusammen. Der Gebäudesachwert bemisst sich wiederum an pauschalen Regelherstellungskosten, von denen eine Alterswertminderung abgezogen wird.
In diesem Zusammenhang sind nun vor allem zwei Aspekte von Bedeutung:
- Die erste merkliche Änderung betrifft die Ermittlung der Regelherstellungskosten: Je nach Gebäudeart und Ausstattung sind pauschale Herstellungskosten aus dem Jahr 2010 vorgegeben. Diese wurden und werden mithilfe jährlich neu ermittelter Baupreisindizes angepasst. Die Neuregelung im Bewertungsgesetz sieht jetzt ab dem 01.01.2023 zusätzlich eine Anpassung an regionale Baupreisverhältnisse vor und zwar unter Zuhilfenahme der von den Gutachterausschüssen verwendeten Regionalfaktoren. Für das Stadtgebiet München beläuft sich dieser Regionalfaktor auf 1,558.
- Außerdem wird die Anhebung der sog. Wertzahl vermutlich deutlich zur Erhöhung der Werte bei der Wertermittlung für steuerliche Zwecke beitragen. Denn der vorläufige Sachwert wird mit einer Wertzahl multipliziert, um den Wert an den „gemeinen Wert“ anzupassen. Dabei sind vor allem von örtlichen Gutachterausschüssen ermittelte Sachwertfaktoren zu berücksichtigen. Existieren solche örtlichen Sachwertfaktoren nicht, greifen die Wertzahlen des Bewertungsgesetzes. Diese wurden ab 01.01.2023 teils um bis zu 40 % nach oben angepasst.
Tipp! Vor allem bei ohnehin hohen Bodenrichtwerten kann man einer solchen pauschalen Immobilienbewertung nur mit einem individuellen Sachverständigengutachten entgegentreten. Im Übrigen bleibt hier nur zu hoffen, dass die zuständigen örtlichen Gutachterausschüsse realistische, eigene Sachwertfaktoren ermitteln, die zu einer realistischen Annäherung an den gemeinen Wert im Sachwertverfahren führen.
Außerdem: Verlängerung der Gesamtnutzungsdauer von Immobilien
Eine letzte Änderung durch das Bewertungsgesetz betrifft die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer eines Gebäudes. Auch dieser Wert fließt sowohl im Ertrags- als auch im Sachwertverfahren in die Wertermittlung ein. Für Eigentumswohnungen, Mietwohngrundstücke oder Ein-/Zweifamilienhäuser galt bisher eine pauschale wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer von 70 Jahren, die nun mit dem Bewertungsgesetz auf 80 Jahre erhöht wurde. Auch das bewirkt eine Erhöhung der steuerlichen Grundbesitzwerte.
Wichtig! Immobilienübergaben im Jahr 2023 rechtzeitig planen kann trotzdem Steuern sparen!
Viele Immobilieneigentümer haben die drohende Gesetzesänderung zum Anlass genommen, noch bis zum 31.12.2022 Immobilien schenkungsweise zu übertragen.
Wer diesen Stichtag verpasst hat oder verstreichen lassen musste, kann nun aber dennoch noch aktiv werden, um weiteren Wertsteigerungen zu entgehen – und so Steuern zu sparen!
Zwar sind nun bereits die neuen Vorschriften des Bewertungsgesetzes in Kraft und sind damit bei der Bemessung einer künftigen Steuerlast unausweichlich anzuwenden.
Allerdings birgt das Thema „Bodenrichtwerte“ Einsparpotenzial. Denn die Bodenrichtwerte spielen bei der Berechnung der Immobilienwerte in allen Berechnungsverfahren eine wichtige Rolle.
Diese Bodenrichtwerte werden turnusmäßig neu ermittelt und veröffentlicht, demnächst wieder zum 01.01.2024. Ob die Bodenrichtwerte wie in den letzten Jahren steigen werden – und damit auch die steuerlichen Werte – ist nicht vorhersehbar. Die ebenfalls gestiegenen Kreditzinsen werden sicherlich zu einer Abschwächung der Immobiliennachfrage und damit auch der Immobilienwerte führen. Trotzdem sollte man sich rechtzeitig mit einer Immobilienübertragung auseinandersetzen.
Tipp! Das betrifft vor allem die Übertragung von Immobilieneigentum im Wege einer vorweggenommenen Erbfolge. Nur wer sich rechtzeitig im Laufe des Jahres darüber Gedanken macht und die Übertragung von Immobilieneigentum mit professioneller anwaltlicher Unterstützung rechtzeitig plant und umsetzt, kann die Übertragung sorgfältig, strukturiert und exakt nach den eigenen Vorstellungen angehen – und daher auch künftigen Streit vermeiden.
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Agnes Fischl-Obermayer
Rechtsanwältin, Steuerberaterin
Fachanwältin für Erbrecht
Geschäftsführerin der ACCONSIS
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