Wird die Türkei die neue Schweiz?

Zum Thema „Datenaustausch mit der Türkei” berichten der Bayerische Rundfunk in seinem Beitrag „Steuerhinterziehung: Auch Türkei meldet bald Kontodaten” auf B5 aktuell und der BR24-App, sowie FOCUS Online („Steuerfahnder bekommen Zugriff in Türkei – Millionen Menschen in Deutschland betroffen“).
Alle Beiträge basieren auf Interviews zur aktuellen Lage mit unserem Experten Dr. Christopher Arendt, Fachanwalt für Steuerrecht der ACCONSIS.

Dabei erklärt Dr. Christopher Arendt im Detail

  • wer vom Datenaustausch mit der Türkei betroffen ist?
  • was passieren kann, wenn man nicht rechtzeitig reagiert?
  • welche Erfahrungswerte und Besonderheiten bei türkischen Mandanten bereits vorliegen?

Alle Informationen der Presse-Beiträge, sowie das gesamte Interview.

Wird die Türkei die neue Schweiz?

Internationaler Steuerbetrug:
Steuerfahnder bekommen Zugriff in Türkei – Millionen Menschen in Deutschland betroffen

Beitrag FOCUS Money
vom 15.10.2020


Wird die Türkei die neue Schweiz?

Steuerhinterziehung:
Auch Türkei meldet bald Kontodaten

Beitrag BR24/ Bayerischen Rundfunk
vom 09.10.2020

Podcast-Beitrag B5 aktuell

Herr Dr. Arendt, wen betrifft der Informations- und Datenaustausch mit der Türkei?

Nachdem in der Vergangenheit bereits verschiedene Maßnahmen zum Informationsaustausch über finanzielle Angelegenheiten zwischen europäischen und außereuropäischen Staaten stattgefunden haben, ist es mit der Implementierung des Common Reporting Standard (CRS) zu einer aus Sicht der Steuerbehörden signifikanten Verbesserung des Datenaustausches gekommen.

Von diesem Datenaustausch können grundsätzlich Personen betroffen sein, die unabhängig von ihrer Staatsbürgerschaft einen Wohnsitz in Deutschland haben und ein Konto im Ausland unterhalten. Der Datenaustausch findet gegenseitig statt, so dass auch die Partnerländer entsprechende Informationen aus Deutschland erhalten.

Folglich ist der Datenaustausch nicht auf die Türkei beschränkt – für das Jahr 2020 wird der Datenaustausch  zwischen 110 Staaten statt finden, die Türkei ist 2020 erstmalig Teilnehmer des internationalen Abkommens. Grundsätzlich wäre die Türkei damit verpflichtet, die Daten rückwirkend für das Veranlagungsjahr 2019 zu übermitteln. Ob diese vertragliche Verpflichtung tatsächlich gegenüber sämtlichen Vertragspartnern eingehalten wird, wird sich wohl erst Ende 2020 (denn zu diesem Zeitpunkt ist zu melden) zeigen.  

Können Sie anonym einen typischen Fall schildern?

Gerne konkretisiere ich dies an einem Fall, wie er sich in der Praxis regelmäßig darstellt.

Eine in Deutschland lebende Person hat durch familiäre Verbindungen in ein anderes Land, nehmen wir hier aus aktuellem Anlass als Synonym die Türkei, immer wieder Geldgeschenke oder eine Erbschaft erhalten. Das in der Türkei erhaltene Geld hat die Person dann auf einem Konto bei einer Bank in der Türkei angelegt und bezieht dort Zinsen oder unterhält ein Depot. Diesen Fall kann man natürlich variieren, das angelegte Geld stammt nicht aus einer Schenkung, sondern aus dem Betrieb eines Gewerbes usw. Häufig wird das Geld auch nicht auf einem Bankkonto angelegt, sondern zur entgeltlichen Vermietung in ein Haus investiert.

Die steuerlichen Fragen, die sich aus dem Sachverhalt ergeben, sind allerdings immer identisch. Ist das in der Türkei angelegte Geld in Deutschland zu versteuern bzw. wurde es in Deutschland bereits versteuert? Besteht eine deutsche Steuerpflicht für die Kapitalerträge aus dem türkischen Konto/Depot? In der Variante der Immobilie stellt sich die Frage, inwieweit die Mieterträge der deutschen Steuer unterliegen.    

Was droht, wenn Betroffene nicht proaktiv handeln?  Warum ist Kopf in den Sand stecken keine gute Idee?

Das ist natürlich abhängig vom Einzelfall. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass der Datenaustausch immer besser funktioniert. Darauf zu hoffen, dass man nicht Teil des Informationsaustausches ist,  ist daher kein guter Ratschlag.  

Im schlimmsten Fall kann im Zusammenhang mit dem im Ausland angelegten Geld in Deutschland ein Steuerstrafverfahren eingeleitet werden und eine nachträgliche Versteuerung erfolgen. Ob solche Rechtsfolgen drohen, sollte möglichst geprüft werden, bevor das Finanzamt sich bei den Betroffenen meldet. Bei rechtzeitigem Problembewusstsein gelingt es in der Regel den Schaden zu begrenzen.       

Wie gehen die Behörden in diesem Fall vor? Was sind Parallelen, was ist anders im Vergleich zur Schweiz?

Gegenwärtig erleben wir die ersten Auswirkungen des Datenaustausches auf der Basis CRS rückwirkend für das Jahr 2016. Nach offiziellen Informationen wertet das Bundeszentralamt für Steuern gerade 1,1 Millionen ausgetauschte Daten über in Deutschland lebenden Personen aus.

Im Wege der zentralen Auswertung werden die Fälle an die einzelnen Wohnsitzfinanzämter weitergeleitet. Diese versenden dann standardisierte Schreiben an die Steuerpflichtigen (meist nicht länger als eine Seite), in denen sinngemäß mitgeteilt wird, dass man Kenntnis von einem Konto in einem anderen Land (z.B. Österreich) habe. Zudem wird man regelmäßig aufgefordert, zu erklären woher die im Ausland angelegten Geldmittel stammen.  

Parallelen und Unterscheide

Zunächst einmal haben wir mit dem RSP eine völlig neue Datenqualität.

Tatsächlich hatte der Fiskus zur Hochphase der Selbstanzeigen im Zusammenhang mit der Schweiz vergleichsweise wenig Informationen. Ich denke wir erinnern uns alle noch an das Vorgehen des damaligen Finanzministers aus NRW und heutigen Parteivorsitzenden der SPD, Herrn Walter-Borjans, der Daten von schweizer Bankmitarbeitern ankaufte. Regelmäßig wurde der Presse damals mitgeteilt, von welchen Banken die Informationen stammten. Nach der Veröffentlichung durch die Presse gingen in unmittelbarer Folge dann Selbstanzeigen bei den Finanzämtern von Anlegern der betroffenen Geldinstitute ein.

Seit diesem Jahr (rückwirkend für das Jahr 2016) werden die Daten jedes Jahr unmittelbar von den ausländischen Finanzinstituten an das Bundeszentralamt für Steuern gemeldet. Die Informationsdichte der Daten ist sehr viel umfangreich. Nunmehr werden jährlich und automatisch insbesondere folgende Informationen mitgeteilt:

  • Name,
  • Adresse und Steueridentifikationsnummer,
  • Geburtsdatum und Geburtsort,
  • steuerlicher Wohnsitz,
  • Kontonummer,
  • Kontosaldo oder -wert zum Ende des betreffenden Kalenderjahres  

Gibt es Erfahrungswerte bzw. Besonderheiten bei türkischen Mandanten?

Während die Deutschen ihr Kapital in der Schweiz häufig auch unter Währungssicherungsgedanken und der Anonymität investierten, haben wir mit der Türkei ganz andere Beweggründe.

Viele Deutsche haben unmittelbare familiäre Beziehungen in die Türkei. Sie bezeichnen sowohl die Türkei als auch Deutschland als ihre Heimat. In der Vergangenheit (um das Jahr 2000) gab es über die Dresdner Bank sogar eine Kooperation mit der türkischen Nationalbank . Unter der Inaussichtstellung zweistelliger Zinserträge wurden Investitionen in der Türkei damals offensiv beworben. Es soll sogar ein Werbevideo der türkischen Nationalbank gegeben haben, in dem die Steuerfreiheit der Kapitalerträge angekündigt worden ist (Webel PStR 01.09.2005 S. 216). Als die deutschen Steuerbehörden drauf kamen, gab es eine beträchtliche Anzahl von Steuerstrafverfahren gegen Kapitalanleger in der Türkei. Insgesamt ist es für mich durchaus nachvollziehbar, dass in Deutschland lebende Personen in der Türkei auch Investitionen getätigt haben, die möglicherweise nunmehr Gegenstand des Informationsaustausches und vom deutschen Fiskus ausgewertet werden – die Frage der Versteuerung der daraus resultierenden Einnahmen steht auf einem anderen Blatt.    

Insbesondere denkt man natürlich an das Hawala-Banking. Im November 2019 wurden bei einer bundesweiten Razzia gegen illegales Hawala-Banking Geld, Fahrzeuge, Gold und Schmuck im Wert 22 Millionen Euro beschlagnahmt. Leiter der Organisation soll ein Düsseldorfer Besitzer einer Juwelierkette sein, der in seinen Juwelierfilialen und Pfandhäusern in Berlin das Hawala-Banking-Geschäft betrieb.

Mit diesem Beispiel sprechen Sie natürlich eine ganz andere Dimension an.

Ich gehe weiterhin davon aus, dass wir im Großteil von Fällen sprechen werden, in denen Privatanleger Zins- oder Vermietungserträge in der Türkei erzielen und vor dem Hintergrund der bereits erfolgten Versteuerung in der Türkei darauf vertraut haben, dass die Kapitalerträge/Vermietungseinkünfte in Deutschland nicht nochmals zu versteuern waren. Häufig dürfte der Kapitalstock der Anlage auch bereits in Deutschland versteuert und persönlich durch die betroffenen Personen in die Türkei transportiert oder transferiert worden sein.

Auch wenn das Hawala-Banking eine lange Tradition und auch sinnvollen Ursprungs ist, wird es heute in Verbindung mit Geldwäsche gesehen. Wir reden in diesem Zusammenhang daher eher von „Schwarzgeld“, d.h. in Deutschland unversteuerten Einnahmen.

Mit dem Informationsaustausch wird man dem Hawala-Banking nur bedingt entgegen treten können. Die Auszahlung des in Deutschland einbezahlten Geldes erfolgt nach meiner Information nicht ausschließlich über Finanzinstitute im Empfängerland, sondern auch Einzelhändler usw. Solche Betriebe sind nicht dazu verpflichtet, eine Meldung i.S.d. CRS vorzunehmen. Das System Hawala wird daher weiterhin funktionieren. Ist das Geld einmal ins Ausland überführt worden,  werden inländische Strohleute eingespannt, die die Konten oder die Immobilie auf der Basis einer Treuhandvertrages für die eigentlichen Eigentümer halten. In diesem Fall erfolgt keine Meldung nach dem CRS nach Deutschland, weil der tatsächliche Inhaber des Geldes dem Bankinstitut nicht bekannt ist. Die Aufdeckung solcher Fälle liegt an der Umsetzung der Vorschriften zur Geldwäschebekämpfung in dem jeweiligen Land. Ich kann Ihnen sagen, dass ich davon ausgehe, dass es da innerhalb der Vertragspartner des CRS größere Unterscheide in der konsequenten Anwendung gibt.                 

Datenaustausch mit Türkei?
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Dr. Christopher Arendt

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oder per E-Mail c.arendt@acconsis.de

Meine Empfehlung?

Eine wirksame Selbstanzeige beim Finanzamt führt zu einem Strafverfolgungshindernis, d.h. man kann wegen der betreffenden Steuerhinterziehung nicht mehr bestraft werden.

Ob eine Selbstanzeige möglich ist, muss angesichts der komplexen gesetzlichen Voraussetzungen im Einzelfall aber eingehend geprüft werden.

Nach Mitteilung der Informationen hat eine Selbstanzeige wohl keine strafbefreiende Wirkung mehr, d. h. ab dem 01.01.2021. Also sollte man die Zeit bis zum Jahresende nützen, um sich einen Überblick zu verschaffen und schnell handeln.

Bitte zögern Sie nicht sich mit mir in Verbindung zu setzen.
Ich stehe Ihnen gerne beratend zur Seite.

Interview mit Dr. Christopher Arendt


Gerade aktuell: Datenaustausch mit der Türkei | Steuern im Ausland | Automatischer Informationsaustausch (AIA) von Kontodaten & Bankdaten | Selbstanzeige

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Weitere Erwähnungen in Presse-Meldungen zum Informationsaustausch Türkei

Münchner Wochenanzeiger, Ausgabe 07.10.2020

Zeitliche Umsetzung des Common Reporting Standard

Laut Liste der OECD, Status of Commitments,
Stand: 16.09.2020 soll der beabsichtigte Informationsaustausch bis spätestens September 2020 für folgende Länder erfolgen:

Anguilla, Argentinien, Belgien, Bermuda, Britische Jungferninseln, Bulgarien, Kaimaninseln, Kolumbien, Kroatien, Zypern, Tschechische Republik, Dänemark, Estland, Färöer-Inseln, Finnland, Frankreich, Deutschland, Gibraltar, Griechenland, Guernsey, Ungarn, Island, Indien, Irland, Isle of Man, Italien, Jersey, Korea, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Malta, Mexiko, Montserrat, Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Rumänien, San Marino, Seychellen, Slowakische Republik, Slowenien, Südafrika, Spanien, Schweden, Turks- und Caicosinseln, Vereinigtes Königreich, Andorra, Antigua und Barbuda, Aruba, Australien, Österreich, Aserbaidschan, Bahamas, Bahrain, Barbados, Belize, Brasilien, Brunei Darussalam, Kanada, Chile, China, Cookinseln, Costa Rica, Curaçao, Dominica, Grönland, Grenada, Hongkong (China), Indonesien, Israel, Japan, Libanon, Macao (China), Malaysia, Marshall-Inseln, Mauritius, Monaco, Nauru, Neuseeland, Niue, Pakistan, Panama, Katar, Russland, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Samoa, Saudi-Arabien, Singapur, Sint Maarten, Schweiz, Trinidad und Tobago, Türkei, Vereinigte Arabische Emirate, Uruguay, Vanuatu, Ghana, Kuwait, Kasachstan, Nigeria, Oman, Peru


Bundeszentralamt für Steuern,
Aktuelle Liste der teilnehmenden Staaten
Stand: 1. Juli 2020