Modernisierung der Außenprüfung: Vereinbarung von Rahmenbedingungen, qualifiziertes Mitwirkungsverlangen und Mitwirkungsverzögerungsgeld

Das Thema Außenprüfung ist bei Unternehmen wenig beliebt. Schließlich verursacht eine solche Prüfung bei Unternehmen jeder Größe einigen Arbeitsaufwand und sorgt für Unruhe im Unternehmensalltag.

Nun wurden die rechtlichen Grundlagen für die Außenprüfung in der Abgabenordnung (AO) überarbeitet und die Außenprüfung in Teilen modernisiert. Das hat unter anderem Auswirkungen auf die Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen und auf die Möglichkeiten der Behörden, auf die „Mitwirkungswilligkeit“ der Steuerpflichtigen einzuwirken.

Wie diese Änderungen aussehen, erfahren Sie in diesem Beitrag. 

Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Behörden und Unternehmen

Gegenstand der EU-Richtlinie, die nun in deutsches Recht umgesetzt wurde, war unter anderem die Modernisierung des Steuerverfahrensrechts. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei, auf Grundlage der neuen Regelungen in der Abgabenordnung (AO), die Zusammenarbeit zwischen Finanzbehörden und Unternehmen zu verbessern.

Realisiert werden soll das über

  • die Möglichkeit, dass Finanzbehörden und Unternehmen einvernehmlich Regelungen zur Außenprüfung treffen können,
  • erweiterte Mitwirkungspflichten von Steuerpflichtigen und
  • die Möglichkeit, bei Verletzung der Mitwirkungspflichten Zwangsgelder zu verhängen.

Hinzu kommen Regelungen, die die Finanzbehörden im Sinne einer effizienten Durchführung von Außenprüfungen in die Pflicht nehmen. Das gilt unter anderem im Hinblick darauf, dass Finanzbehörden

  • Prüfungsanordnungen zeitnäher bekanntgeben müssen,
  • die Abwicklung von Betriebsprüfungen zügiger von stattengehen soll und
  • bereits in der Prüfungsanordnung Prüfungsschwerpunkte zu benennen sind.

Da Unternehmen in der Außenprüfung selbst in erster Linie von den Mitwirkungspflichten betroffen sein werden, wollen wir in diesem Beitrag den Schwerpunkt auf dieses Thema legen.

Einigung über Rahmenbedingungen möglich

Die Anpassung der Abgabenordnung sieht u.a. vor, dass Steuerpflichtige und Finanzbehörden im Verfahren einer Außenprüfung enger kooperieren können.

So wurde § 199 Abs. 2 AO dahingehend angepasst, dass Behörden der Finanzverwaltung mit Steuerpflichtigen vereinbaren können, während der laufenden Außenprüfung in regelmäßigen Abständen Gespräche zu führen. Gegenstand dieser Gespräche kann bzw. können dann sein:

  • Sachverhalte, die sich im Verlauf bisher bei der Außenprüfung ergeben haben
  • mögliche Auswirkungen der bisher festgestellten Ergebnisse / Sachverhalte  

Solche Rahmenbedingungen festzulegen, kann für Steuerpflichtige dann erhebliche Vorteile haben: Denn kommt man den Pflichten nach, kann die Finanzbehörde kein qualifiziertes Mitwirkungsverlangen (dazu später) nach § 200a AO aussprechen,

Tipp! Die Möglichkeit, Rahmenbedingungen für eine Außenprüfung zu vereinbaren, besteht ab dem 01. Januar 2023 – auch für Prüfungsverfahren, die zu diesem Zeitpunkt schon anhängig, aber noch nicht abgeschlossen sind. Unter Umständen macht es also Sinn, auch in laufenden Verfahren auf die Finanzbehörden zuzugehen und entsprechende Regelungen zu treffen.

Neu: qualifiziertes Mitwirkungsverlangen

Mit der Umsetzung der EU-Richtlinie in nationales Recht wurde das sog. qualifizierte Mitwirkungsverlangen in die Abgabenordnung aufgenommen. Dieses neue Instrument, das in § 200a AO gesetzlich geregelt ist, steht Finanzbehörden allerdings nur zu Verfügung, falls ein Steuerpflichtiger in einer Außenprüfung den bestehenden Mitwirkungspflichten gem. § 200 AO – also einem bereits ergangenen Mitwirkungsverlangen – nicht nachgekommen ist oder seine Mitwirkungspflichten nicht ausreichend erfüllt. Die Behörde hat nun die Möglichkeit, den Steuerpflichtigen mit einem qualifizierten Mitwirkungsverlangen dazu aufzufordern, seinen Mitwirkungspflichten innerhalb einer bestimmten Frist nachzukommen.

Tipp! Ein qualifiziertes Mitwirkungsverlangen kann auf Grundlage des neuen § 200a AO auch sofort ergehen, wenn bisher kein Mitwirkungsverlangen ergangen ist, das aber auch keinen Erfolg versprechen würde.

Für das qualifizierte Mitwirkungsverlangen gibt es jedoch eine zeitliche Einschränkung: Es darf erst sechs Monate nach der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung erlassen werden.

Ist ein qualifiziertes Mitwirkungsverlangen wirksam erlassen worden, sollte der betroffene Steuerpflichtige diesem Verlangen innerhalb von einem Monat nach Bekanntgabe nachkommen. In begründeten Einzelfällen ist es allerdings möglich, dass diese Frist verlängert wird.

Wird das qualifizierte Mitwirkungsverlangen nicht innerhalb der gesetzten Frist erfüllt, kann das unterschiedliche Folgen haben: Einerseits verlängert sich die – ebenfalls neu geschaffene – Fünfjahresfrist der Ablaufhemmung oder wird vollständig ausgesetzt (§ 200a Abs. 4 AO) und es wird in aller Regel ein sog. Mitwirkungsverzögerungsgeld verhängt.

Mitwirkungsverzögerungsgeld

Dieses Mitwirkungsverzögerungsgeld im Zusammenhang mit dem neuen qualifizierten Mitwirkungsverlangen wurde ebenfalls vollkommen neu in der AO eingeführt. Dieses Mitwirkungsverzögerungsgeld wird von Gesetzes wegen verhängt, wenn der Steuerpflichtige seiner qualifizierten Mitwirkungspflicht

  • nicht
  • nicht rechtzeitig oder
  • nicht ausreichend

nachkommt.

Eine Ausnahme zu diesem Grundsatz sieht das Gesetz allerdings auch vor: wenn der Steuerpflichtige glaubhaft machen kann, dass ihn an der Mitwirkungsverzögerung keine Schuld trifft, soll die Behörde von der Verhängung des Mitwirkungsverzögerungsgeldes absehen.

Behördenpflichten im Zusammenhang mit dem qualifizierten Mitwirkungsverlangen

Im Zusammenhang mit dem qualifizierten Mitwirkungsverlangen treffen die Finanzbehörden allerdings auch Pflichten: So kann die Finanzbehörde das Mitwirkungsverzögerungsgeld nicht unangekündigt festsetzen. Die Behörde muss darauf hinweisen, dass ein Zwangsgeld festgesetzt werden kann, wenn der Steuerpflichtige seiner qualifizierten Mitwirkungspflicht nicht (ausreichend) nachkommt. Auch ist auf die zu erwartende Höhe des Mitwirkungsverzögerungsgeldes hinzuweisen. Nicht zuletzt muss die Finanzbehörde auch darauf hinweisen, dass sich die Festsetzung des Mitwirkungsverzögerungsgelds u.a. auf die zeitliche Begrenzung der Ablaufhemmung auswirken kann.

So hoch kann ein Mitwirkungsverzögerungsgeld ausfallen

Stellt sich zuletzt die Frage, wie hoch ein solches Mitwirkungsverzögerungsgeld ausfallen kann. Grundsätzlich beläuft sich das Mitwirkungsverzögerungsgeld auf 75 Euro je vollem Kalendertag der Verzögerung. Allerdings ist die Anzahl dieser Tagessätze auf maximal 150 Kalendertage begrenzt.

Endet in diesem Zeitfenster die Mitwirkungsverzögerung – kommt der Steuerpflichtige also dem qualifizierten Mitwirkungsverlangen angemessen nach und hat die Schlussbesprechung stattgefunden – wird das Verzögerungsgeld für die Anzahl der Tage der Verzögerung festgesetzt. 

Grundsätzlich ist es außerdem möglich, dass die Finanzbehörde auch einen Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld erlässt, allerdings nur unter relativ engen Voraussetzungen. So muss der Steuerpflichtige wiederholt seine Pflichten aus einem qualifizierten Mitwirkungsverlangen verletzen. Außerdem muss zu befürchten sein, dass der Steuerpflichtige seiner Pflicht nur mit der Verhängung eines Mitwirkungsverzögerungsgeldes ohne Zuschlag nicht nachkommen wird.

Alternativ kann ein Zuschlag auch erhoben werden, wenn zu vermuten ist, dass aufgrund der finanziellen Situation des Steuerpflichtigen – gerade bei Unternehmen einer gewissen Größe – ein Mitwirkungsverzögerungsgeld nur mit einem Zuschlag seinen Zweck erfüllen wird.

Der Zuschlag zum Mitwirkungsverzögerungsgeld wird also in erster Linie Unternehmen betreffen, die

  • sich konsequent qualifizierten Mitwirkungsverlangen widersetzen oder
  • so finanzstark sind, dass sie ein Mitwirkungsverzögerungsgeld finanziell nicht tangiert.

Gerade beim Zuschlag haben die Finanzbehörden deswegen auch einen deutlich anderen Spielraum im Hinblick auf dessen Höhe: Sie können immerhin einen Höchstbetrag von 25.000 EUR für jeden vollen Kalendertag der Mitwirkungsverzögerung ansetzen und das für ebenfalls maximal 150 Kalendertage.

Tipp! Die Anwendbarkeit der neuen Regelungen aus § 200 a AO ist zeitlich gestaffelt. Wann welche Regelung aus § 200a AO für welchen Steuersachverhalt greift, sollte einzeln ermittelt werden! Denn grundsätzlich greift §200a AO erst für Steuersachverhalte, die nach dem 31.12.2024 entstehen. Eine Ausnahme gilt für § 200a Abs. 1 bis 3 und Abs. 6 AO: Diese Regelungen gelten auch für Steuersachverhalte vor dem 01.01.2025 – allerdings nur, wenn die Prüfungsanordnung nach dem 31.12.2024 erfolgte.

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Für den Fall, dass Sie diesbezüglich oder generell Fragen haben, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung!

Ihr Christopher Arendt

Fragen zur Änderung der Abgabenordnung und zum qualifizierten Mitwirkungsverlangen?

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Fachanwalt für Steuerrecht
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Dr. Christopher Arendt

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