Die Beschäftigung von Vollrentnern ist für Arbeitgeber in Zeiten des Fachkräftemangels und der allgemeinen Personalnot eine gute Möglichkeit, Personallücken zu schließen. Vor allem der Einsatz von Vollrentnern ist für Arbeitgeber relativ unkompliziert: in vielen Punkten unterscheidet er sich nicht vom Einsatz von Nicht-Rentnern, teils gibt es sogar Vorteile.
Doch worauf müssen Arbeitgeber im Hinblick auf sozialversicherungsrechtliche Fragen achten? Und welche Möglichkeiten bietet z.B. die Fortführung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses über das Renteneintrittsalter hinaus?
Arbeitsrecht: die Beschäftigung von Vollrentnern
Bevor es um Details zum Thema „Beschäftigung von Vollrentnern“ gehen soll, ist eines zunächst festzuhalten: Das Arbeitsrecht macht grundsätzlich keine Unterschiede aufgrund des Alters eines Arbeitnehmers. Ist ein Arbeitnehmer volljährig, ist es für die Rechte von Arbeitnehmer und Arbeitgeber – arbeitsrechtlich betrachtet – zunächst einmal unerheblich, wie alt ein Arbeitnehmer ist. Deswegen gelten alle wesentlichen Regelungen des Arbeitsrechts für Arbeitnehmer jeden Alters, wie z.B. das
- Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
- Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) für Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
- Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) oder auch das
- Mindestlohngesetz (MiLoG)
Ausnahmen bestätigen aber auch hier die Regel: teilweise finden sich in allgemeinen Arbeitsgesetzen besondere Vorschriften für die Beschäftigung von Vollrentnern nach Erreichen der Regelaltersgrenze wie z. B. zum Thema Befristung im Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) bzw. im SGB VI.
Sozialversicherungsrecht: Beschäftigung von Vollrentnern nach Erreichen der Regelaltersgrenze
Vor allem wenn es um Fragen des Sozialversicherungsrechts geht, kann es bei der Beschäftigung von Vollrentnern nach Erreichen der Regelaltersgrenze Abweichungen zur Beschäftigung von „Nicht-Rentnern“ geben.
Je nach Art der Beschäftigung von Vollrentnern können andere Regelungen z. B. für die Beitragspflicht zur Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung gelten. Ob und welche Unterschiede bestehen, hängt vor allem von der Art der Beschäftigung ab, also davon, ob es sich um eine geringfügige Beschäftigung („Minijob“) handelt oder um ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis in Vollzeit oder Teilzeit.
Wichtig! Wie bei Arbeitnehmern vor Erreichen der Altersgrenze sind Arbeitgeber auch bei der Beschäftigung von Rentnern verpflichtet, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung anzumelden und die Beiträge korrekt abzuführen!
Welche Regeln gelten für Beschäftigung von Rentnern in Minijobs?
Vor allem Minijobs sind bei Rentnern beliebt, um die eigene Rente aufzubessern.
Hinweis! Rentner haben – wie alle Arbeitnehmer – die Möglichkeit, einen Minijob mit einer monatlichen Verdienstgrenze von max. 520 Euro auszuüben („520-Euro-Job“) oder ohne Verdienstobergrenze für 3 Monate im Jahr und maximal 70 Arbeitstage im Jahr zu arbeiten.
Beschäftigen Arbeitgeber Vollrentner nach Erreichen der Regelaltersgrenze im Rahmen eines Minijobs, gilt sozialversicherungsrechtlich Folgendes:
- Beiträge zur Arbeitslosenversicherung und Beiträge zur Pflegeversicherung muss der Arbeitgeber nicht bezahlen.
- Pauschalbeiträge zur Rentenversicherung sind in Höhe von 15 % abzuführen.
- Pauschalbeiträge zur Krankenversicherung sind in Höhe von 13 % abzuführen.
Hinweis! Wie in allen anderen Fällen von Mini-Jobs auch, ist der Arbeitgeber auch hier verpflichtet, 2 % pauschalierte Lohnsteuer abzuführen.
Welche Regeln gelten für einen sozialversicherungspflichtigen Job (Vollzeit/Teilzeit)?
Nachdem es für den Großteil aller Vollrentner nach Erreichen der Regelaltersgrenze keine Hinzuverdienstgrenzen mehr gibt, wird es für Rentner immer interessanter, nicht nur einen Minijob anzunehmen, sondern eine Teilzeit- oder Vollzeitstelle anzutreten.
Achtung! Für einige Rentner gelten immer noch Hinzuverdienstgrenzen, z.B. für Ruhestandsbeamte, Personen, die eine Erwerbminderungsrente oder Hinterbliebenenrente beziehen, und im Falle von Knappschaftsausgleich. Arbeitgeber sollten Bewerber in solchen Fällen darauf hinweisen, damit die Bewerber später nicht von Rentenkürzungen wegen einer Beschäftigung überrascht werden.
Stellt man als Arbeitgeber einen Vollrentner bzw. Regelaltersrentner ein, gelten im Hinblick auf die Sozialversicherungspflicht folgende Regeln:
Krankenversicherung und Pflegeversicherung
Solange Regelaltersrentner Rente beziehen und nicht erwerbstätig sind, sind sie gesetzlich krankenversichert. Sobald sie eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in Teilzeit oder Vollzeit beginnen, ändert sich das: Der Arbeitgeber muss das Beschäftigungsverhältnis anmelden und regulär Beiträge zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung abführen wie bei jedem anderen Arbeitnehmer auch.
Rentenversicherung
Wenn Arbeitgeber Regelaltersrentner mit einem Vollrentenanspruch in Teilzeit oder Vollzeit beschäftigen, müssen Arbeitgeber den vollen Arbeitgeberbeitrag zur Rentenversicherung abführen. Dieser Beitrag hat auf die Rente des beschäftigten Rentners keinen Einfluss – es handelt sich um einen echten Solidarbeitrag zum Rentensystem.
Hinweis! Auch hier kann man Mitarbeitenden mit einem Hinweis einen Gefallen tun: angestellte Vollrentner müssen keinen Beitrag zur Rentenversicherung abführen. Sie können das aber freiwillig tun und damit ihren Rentenanspruch etwas aufbessern (sog. Flexirente).
Arbeitslosenversicherung
Wie bei der Rentenversicherung gilt auch bei der Arbeitslosenversicherung: beschäftigt man als Arbeitgeber einen Vollrentner bzw. Regelaltersrentner, ist der volle Arbeitgeberanteil zu entrichten – das legt § 346 Abs. 3 SGB III ausdrücklich fest. Auch hier muss der beschäftigte Rentner keine Beiträge entrichten.
Befristete Fortführung des Arbeitsvertrags über Renteneintrittsalter hinaus?
Zu Beginn des Beitrags ging es darum, dass für volljährige Arbeitnehmer das Arbeitsrecht vollkommen unabhängig vom Alter gilt. Allerdings gibt es im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Regelaltersrentnern eine Ausnahme bzw. eine Sonderregelung, die für Arbeitgeber von großem Interesse ist: Unter bestimmten Voraussetzungen gestattet das Arbeitsrecht bzw. Sozialrecht eine Art befristete Fortführung eines bestehenden Arbeitsvertrages – auch wenn kein Sachgrund vorliegt! Denn das Ende eines Arbeitsverhältnisses durch Erreichen des Renteneintrittsalters kann gemäß § 41 Satz 3 SGB VI hinausgeschoben werden.
Bedenken gegen die rechtliche Zulässigkeit?
Als diese Regelung im Gesetz eingeführt wurde, gab es einige Bedenken, ob diese Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung gegen geltendes Europarecht verstößt. Grundsätzliche Bedenken gegenüber diesem Modell hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Urteil (EuGH, Urteil v. 28.02.2018, Az.: C-46/17) allerdings ausgeräumt: Die mehrfache befristete Verlängerung der Beendigung („Kettenbefristung“) ist zulässig, wenn kein Rechtsmissbrauch vorliegt, die bisherigen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses möglichst unverändert bleiben und die Befristung an sich gerechtfertigt ist, weil der Arbeitnehmer durch seine Rente abgesichert ist.
Bloß keine Hemmungen!
Wie eingangs gesagt: die Beschäftigung von Vollrentnern ist im Hinblick auf die aktuelle Arbeitsmarktsituation für Arbeitgeber eine spannende Sache. Zugleich ist die Beschäftigung von Vollrentnern in Zeiten der Inflation und kleinen Renten für Rentner eine gute Möglichkeit, ihre Rente aufzubessern. Eine echte Win-win-Situation also.
Aus arbeitsrechtlicher und sozialversicherungsrechtlicher Sicht ist außerdem zu sagen: die Beschäftigung ist an sich unkompliziert, ob im Rahmen eines Minijobs oder einer Teilzeit- bzw. Vollzeitbeschäftigung. Denn sie unterscheidet sich nur marginal von der Beschäftigung eines normalen Arbeitnehmers (Nicht-Rentners).
Und vor allem im Hinblick auf eine befristete Weiterführung der Beschäftigung eines langjährigen Mitarbeiters über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus bietet die Beschäftigung von Vollrentnern Arbeitgebern sogar zusätzliche, flexible Möglichkeiten.
Sie haben Fragen zum Thema Beschäftigung von Vollrentnern?
Sie überlegen, Vollrentner in Ihrem Unternehmen zu beschäftigen – im Rahmen eines Mini-Jobs, in Teilzeit oder Vollzeit? Sprechen Sie mich gerne direkt an!
Ihr Christian Seidel
Unser Experte bei Fragen im Bereich Arbeitsrecht
Christian Seidel
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Prokurist der Acconsis GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft
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oder per E-Mail c.seidel@acconsis.de