Nach einem Erbfall und der Testamentseröffnung hat ein Verfahren für Erben eine besondere Bedeutung: das Erbscheinverfahren. Der Erbschein, der am Ende des Verfahrens ausgestellt wird, ermöglicht es Erben, das Erbe eines Verstorbenen offiziell anzutreten und zu verwalten.

Erbscheinverfahren vor dem Amtsgericht

Um einen Erbschein zu erhalten, muss eine antragsberechtigte Person das Erbscheinverfahren einleiten. Das geschieht mit einem Antrag auf Erteilung eines Erbscheins beim Amtsgericht als Nachlassgericht. Zuständig für das Erbscheinverfahren ist das Amtsgericht des Ortes, in dem der Erblasser zuletzt seinen Wohnsitz hatte. War der Erblasser deutscher Staatsangehöriger, hatte aber den letzten Wohnsitz im Ausland, ist das Amtsgericht Berlin-Schöneberg zuständiges Nachlassgericht.

Den Antrag können unterschiedliche Personen stellen, z.B. Erben, aber auch ein Testamentsvollstrecker. Da Vermächtnisnehmer und Pflichtteilsberechtigte keine Erben sind, können sie keinen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins stellen.

Der Antrag kann formlos zu Protokoll beim Nachlassgericht gestellt werden. Alternativ ist es möglich, den Antrag bei einem Notar in ganz Deutschland zu stellen.

Bedeutung des Erbscheins

Der Erbschein ist für Erben von enormer Bedeutung: er ist die rechtliche Grundlage dafür, das Erbe tatsächlich anzutreten und verwalten zu können. Denn der Erbschein dient als Legitimation des/der Erben im Rechtsverkehr. Deshalb ist es sehr wichtig, dass potenzielle Erben das Erbscheinverfahren zeitnah mit dem Erbscheinsantrag anstoßen, um möglichst schnell handlungsfähig zu sein.

Wichtig ist hier zu wissen: Wer als Erbe das Erbscheinverfahren einleitet, kann das Erbe nicht mehr ausschlagen. Mit diesem Antrag gilt das Erbe als angenommen.

Inhalt des Erbscheinantrags

Der Erbscheinsantrag muss u.a. Folgendes beinhalten:

  • Geschäftszeichen
  • Todeszeitpunkt des Erblassers
  • letzten gewöhnlichen Aufenthalt und Staatsangehörigkeit des Erblassers
  • Grundlage für die Erbenstellung (Testament, gesetzliche Erbfolge)
  • Angabe von Verfügungen des Erblassers von Todes wegen
  • Angaben zur Anhängigkeit eines Rechtsstreits über sein Erbrecht
  • Größe seines Erbteils

Auch Unterlagen müssen dem Antrag als Original oder amtlich beglaubigte Abschrift beigefügt sein, u.a. diese:

  • Testament bzw. Erbvertrag
  • Heiratsurkunden (sofern vorhanden)
  • Personalausweis oder Reisepass des Erben
  • Geburtsurkunde des Erben
  • Sterbeurkunde des Erblassers

Arten des Erbscheins

Der Antrag kann sich auf unterschiedliche Formen des Erbscheins beziehen. So kann ein Erbschein für Alleinerben als Alleinerbschein oder als Teilerbschein für Miterben / Erben einer Erbengemeinschaft beantragt werden. Außerdem ist es möglich, dass ein Erbe einen gemeinschaftlichen Erbschein für alle Erben beantragt, der auch den jeweiligen Erbteil beinhaltet. Nicht zuletzt ist es möglich, einen gegenständlich beschränkten Erbschein zu beantragen, wenn sich Teile des Nachlasses im Inland und Ausland befinden.

Erben mehrere Personen gemeinsam, ist es also möglich, dass jeder Miterbe einen Erbschein für sich beantragt oder dass ein gemeinschaftlicher Erbschein beantragt wird, was oftmals kostengünstiger ist. Hierüber sollten sich Miterben abstimmen.

Notarielles Testament statt Erbschein und Erbscheinverfahren?

Es ist grundsätzlich für die Erben auch möglich, sich mit einem eröffneten notariellen Testament als Erben zu legitimieren. Leider ist es oft so, dass Behörden oder Banken – zu Unrecht – auf einen Erbschein bestehen. Gerade bei großen Nachlässen ist der Erbschein für eine reibungslose Abwicklung daher anzuraten.

Prüfung der Erbenstellung im Erbscheinverfahren

Ist der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt, prüft das Nachlassgericht anhand der Angaben und Unterlagen, ob der Antragsteller tatsächlich Erbe des Verstorbenen ist. Sind die Unterlagen nicht ausreichend, um die Erbenstellung des Antragstellers verlässlich festzustellen, kann das Gericht weitere Unterlagen anfordern oder auch Zeugen vernehmen.

Außerdem informiert das Nachlassgericht andere Beteiligte (Erben / Pflichtteilsberechtigte etc.) über den gestellten Antrag, damit diese ggf. Einwände erheben können. Erheben diese Personen keine Einwände gegen den Antrag, erteilt das Nachlassgericht den beantragten Erbschein.

Werden Einwände erhoben, muss das Nachlassgericht diese sorgsam prüfen. Oftmals liefert das Erbscheinverfahren schon einen Beitrag zur Klärung umstrittener Punkte. Hier kann es beispielsweise um die Wirksamkeit eines Testaments gehen (Formfehler, Testierunfähigkeit, Echtheit eines Testaments etc.). Damit ist das Erbscheinverfahren oftmals der Beginn von Erbstreitigkeiten.

Dauer des Erbscheinverfahrens

Wie lange ein Erbscheinverfahren dauert, kann man nicht pauschal sagen. Ist die erbrechtliche Situation eindeutig und erheben andere Beteiligte im Erbscheinverfahren keine Einwände gegen einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, kann ein Erbschein relativ zeitnah, d.h. innerhalb einiger Wochen, ausgestellt werden.

Kommt es aber im Erbscheinverfahren zu rechtlichen Meinungsverschiedenheiten unter Erben, kann ein Erbscheinverfahren sehr viel Zeit in Anspruch nehmen und unter Umständen Monate oder Jahre dauern.

Einziehung des Erbscheins

Wenn ein Erbschein erst einmal für eine oder mehrere Personen ausgestellt ist, macht es das für die wahren Erben nicht leicht. Diese können nicht nachweisen, dass sie die wahren Erben sind. Sie müssen in einem ersten Schritt unter Angaben von Gründen die Einziehung des bestehenden Erbscheins beantragen. In einem zweiten Schritt können sie einen eigenen Erbscheinsantrag stellen.

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Nicolai Utz
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